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Ansatz über Intensität der Übung in der Kampfkunst

"Wie du denkst, so sollst du werden." - Bruce Lee

 

Der Spruch "Übung macht den Meister" ist allgemein bekannt und bezieht sich grundsätzlich auf die praktische Erfahrung, die man während kontinuierlichen Übung sammelt. Die praktische, wiederholte Übung ist "selbstverständlich" unersetzlich.

Eine Vertiefung in der Übung selbst jedoch sollte dabei nicht als "selbstverständlich" angenommen werden. Denn Intensität der Übung hängt nicht ausschließlich davon ab wie oft man übt und wird nicht unbedingt von selbst verinnerlicht, sondern hauptsächlich mit welchen Einstellung man übt.

"Ich weiß, dass ich nichts weiß" - Sokrates

 

Die wiederholte Übung sollte das Können keimen, jedoch kein Übermut. "Können" selbst ist auch keine einheitliche Größe, der Grad des Könnens ist eher das Maß an sich, nur wenn er nicht eine relative Wertung wäre. Ein wahrer Meister der Kampfkunst würde nie seinen Meistergrad überheblich zugeben, denn dies würde eine Vollendung seiner Meisterschaft bedeuten (das sollte jedoch nicht mit dem Respekt vertauscht werden, den man erwartet oder entgegen einem älteren, erfahrenen SenSei gibt).

 

"SenSei" - vorheriges Leben

In Japan wird jemand mit viel Erfahrung oder viel Können auf einem bestimmten Gebiet als "SenSei" bezeichnet. Im übertragenden Sinne bedeutet dieses Wort nicht, dass jemand ein "Meister" ist, sondern eher ein "Experte" auf seinem Fachgebiet. Obwohl der Ausdruck "Meister" als eine Art Kompliment erfasst werden kann ist es ein Grenzwort zwischen "Erfahren" und "Vollendet". Wortwörtlich wird "Sensei" als "vorheriges Leben" übersetzt und wird generell auch als "Lehrer" wahrgenommen.

 

Von der anderen Seite muss ein Meister des Weges nicht derjenige sein, der einen Weg gemeistert hat sondern seinen Weg kontinuierlich meistert. In diesem Sinne ist ein Meister auch ein Schüler.

"ShoShin" - Anfängergeist

 

ist dabei entscheidend in der Einstellung zur Lernbereitschaft. Du lernst um weiter den Weg zu gehen, du meisterst den Weg. Du bleibst stehen wenn du nicht mehr bereit bist zu lernen und ...

 

„Wahres Karate ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht ständig wärmst.“ - Gichin Funakoshi

...du verlierst an neu Gelerntem wenn du die Übung immer wieder nachlässt. Ständiges unterbrechen des Weges, auch wenn alle Grundlagen geübt wurden aber gerade wenn man an den Grundlagen übt, beeinflusst so gut wie keinen Fortschritt. Und gerade Grundlagen sind es, die das Können beeinflussen und erst wenn die grundlegende Formen und Prinzipien tief verinnerlicht werden, entspringen sie intuitiv dem Unterbewusstsein. Dieses Prozess des Lernens wird durch das einheitliche Prozess

 

"Shu Ha Ri"

definiert. "Shu" beschreibet das Erlernen der Formen, "Ha" die freie Anwendung der Formen und "Ri" die intuitive und kreative Handlung aus dem Unterbewusstsein, ohne dabei die gelernte Formen bewusst zu nutzen.

 

In einem Seiner Artikeln für Aikido Saku Dojo stellt Endo Seishiro Sensei eine wesentliche Frage an die fortgeschrittene Übende, in welche Stufe des Prozesses "Shu Ha Ri" würde sich jeder selbst einordnen.

Ich denke, dies erfordert einer entsprechenden Einstellung und Haltung zum eigenen Lernprozess. Es ist hilfreich dabei eigene Fähigkeiten zu überprüfen und sich von einer oder anderen Regel loszulassen.

"FudoShin" - Unerschütterlicher Geist

 

Ein Geist, der sich mit einer Idee oder Haltung ständig beschäftigt oder an eigenen oder fremden Bewegungen haftet ist darin befangen. So ein Geist wird, eingefangen in den Handlungen, durch die Handlungen bewegt. Um sich im Lern- oder Handlungsprozess zu vertiefen würde die "ShoShin"-Haltung den Weg zum Empfangen oder des Einschreitens in das "Neue" freimachen.

 

Durch

"ZanShin" - verbleibender Geist - Haltung

 

wird die Übung durch die Aufmerksamkeit geprägt. Dadurch wird die Intensität in der Übung erhöht und unabhängig von der Anzahl der Übungsstunden findet ein offener und konzentrierter Lernprozess statt.

Aus diesem Grund dienen

 

"Rei Shiki" - Verhaltensregeln

nicht in erster Linie der Tradition, sondern der Vorbereitung auf das aufmerksames Üben. Das "Fauchen" eines alten SenSei`s auf eine lässige Einstellung des Übenden drückt damit nicht die schlechte Laune des SenSei`s aus, es zeugt davon wie die Lernkonzentration, Aufnahmefähigkeit des Übenden, Konzentration im gesamten Unterricht mit anderen Mitübenden und schließlich Erfolg des Unterrichts verlaufen wird.

"Ich fürchte nicht den Mann, der 10.000 Kicks einmal geübt hat, aber ich fürchte mich vor dem der einen Kick 10.000 mal geübt hat." - Bruce Lee

Nun, es ist möglich "Erfahrung" und "Können" in Bezug auf die Übung in zwei unterschiedliche Richtungen zu denken.

Erfahren "an Menge der Übung" oder erfahren "in Übung". 300 Stunden ist sicherlich ein Maß für die Bewertung der Dauer, aber ganz sicher nicht für die Bewertung des wahren Grades des Könnens. Eine Stunde Übung mit "ZanShin" hat mehr Nutzen in diesem Sinne als hundert Stunden leichtfertiger Übung.

(Autor: A.Ertis)

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