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Form und das Konzept des Lernens

Je mehr wir uns mit der Form beschäftigen, desto mehr befreien wir uns von der Form. Wenn wir uns nicht mit der Form beschäftigen, können wir uns auch nicht von ihr befreien. Wir sind so weit frei wie wir uns mit der Form beschäftigt haben. Was heißt das konkret?

 

Grundlegend ist das Konzept des Lernens in drei Stufen unterteilt.

 

Am Anfang führen wir eine Bewegung oder eine Technik so aus, wie wir sie gelernt haben. Die Art und Weise wie wir die Handlungen ausführen ist die Form. Hier spiegelt sich das Prinzip Shu. 

 

Nach vielen Stunden Übung denken wir nicht mehr an die Art und Weise und erkennen somit die Möglichkeit vertieft die grundlegenden Prinzipien zu praktizieren und uns frei in oder von der gelernten Form zu bewegen. Es entsteht das Prinzip von Ha. 

 

Anschließend denken wir nicht mehr an die Art und Weise und auch nicht an grundlegenden Prinzipien und manifestieren eigene Form durch das Prinzip von Ri.

 

Wir können uns aussuchen, welche Art und Weise wir praktizieren und damit welche bereits existierende Form wir kopieren.

 

Die Formen fassen viele grundlegenden Prinzipien zusammen, welche von sehr großen Bedeutung sind und damit bilden sie auch die Form.

 

Je hartnäckiger und vertiefter wir die Form praktizieren, desto mehr Prinzipien und Grenzen erkennen wir in dieser Form und meistern die eigene Möglichkeiten und die Beweglichkeit darin und außerhalb.

 

In den meisten traditionellen Kampfkünsten ist die Form durch festgelegten Ablauf mit Angriff, entsprechenden Reaktionshandlungen und Technik definiert, welche durch vorher abgestimmten Angreifer (Uke) und den Ausführenden der Handlungen (Tori) ausgeführt werden. 

 

Je besser beherrscht man die Form, desto flexibler und anpassungsfähiger ist die mögliche Ausführung der Handlungen oder der Technik.

 

Wenn die erste Stufe Shu übersprungen wird, ist die Befreiung von der Form gar nicht möglich und man verpasst eine tiefgreifende Erkenntnis der grundlegenden Prinzipien und viele Möglichkeiten der Handlungsweise. Es würde darin auch die Erfahrung fehlen.

 

Wenn man in der ersten Stufe Shu verharrt und an der Form haftet, wird man auch nicht weiterkommen und die Handlungen bleiben in der Form gefangen. 

 

Man kann also sagen man fängt den Geist und dann lässt man den Geist frei. Wenn man jedoch den Geist gefangen hält, wird man von den Handlungen gefangen. Lässt man den Geist frei, wird man nicht von den Handlungen beeinflusst und frei handeln können.

 

Autor A. Ertis